"Mädchen*arbeit immer noch up to date!"

Frau Dr. Claudia Wallner spannt mit ihrem Referat anlässlich des 50jährigen Jubiläums der Beobachtungsstation den Bogen zurück ins Deutschland der 60er Jahre. Sie beleuchtet die Zeit bis heute mit den Fragen «Warum entstand und brauchte es Mädchenarbeit», «Warum ist Mädchen*arbeit immer noch up to date?»

Das Denken über die Geschlechterrollen resultierten in Verhinderung von Bildungszugang und zu staatlicher Reglementierung von weiblicher Sexualität und manifestiert sich in haarsträubenden Gerichtsurteilen. Mädchen wurden zur Sittlichkeitserziehung in Heime gesteckt, mit dem Ziel, sie für die Ehe nach gesellschaftlicher Vorstellung zurecht zu biegen. Geschlossene Unterbringungen ohne Schul- und Ausbildung, Ausbeutung durch Arbeit, Gewalt und sexualisierte Gewalt durch Personal gehörten zum Alltag. Die Heimrevolten der 60er Jahre änderten daran kaum etwas.

1975 hatten Frauen in der Schweiz seit vier Jahren das Wahlrecht. Seit 14 Jahren gab es die Antibabypille. Es entstand feministische Mädchenarbeit. Das Konzept der Beobachtungsstation FOYERBASEL war ein Gegenkonzept und entsprach den Grundsätzen feministischer Mädchenarbeit: Geschlechtshomogenität, Ganzheitlichkeit, Partizipation, eigene Räume, um nur ein paar zu nennen.

In den folgenden Jahrzehnten werden Mädchen immer noch strukturell benachteiligt, WEIL sie Mädchen sind. Es entstehen zwar Angebote, aber der patriarchale Blick auf die jugendliche Zielgruppe bleibt auf den männlichen Jugendlichen. Jungs sind die Bildungsverlierer in der PISA-Studie. In den 2000er hat sich noch nichts daran geändert, dass nur ÜBER die Mädchen geredet wird, nicht mit Ihnen und nicht für sie. Vielleicht weil Jungs lauter sind? Immer gibt es eine Geschlechtergruppe - heute sind es Queers - welche die Mädchen*arbeit missachten.

2025 definieren SocialMedia die Geschlechterverhältnisse neu. Jungen Mädchen wird eine Entscheidungsnotwendigkeit vorgegaukelt, sich einer der Trend-Influencerinnen und ihrer fadenscheinigen Geschlechterrollen zuzuordnen. Auf der Gegenseite formieren sich Männer mit mädchen- und frauenfeindlichen Inhalten und erhalten Reichweiten, welche die Gefährdung von Mädchen vorantreibt. Männer haben Angst, dass Frauen sie beschämen. Frauen haben Angst, dass Männer sie töten.

Braucht es tatsächlich noch Mädchen*arbeit?
Wer stellt eigentlich diese Frage?

Biografie Dr. Claudia Wallner

Frau Dr. Claudia Wallner ist Diplom-Pädagogin* mit Schwerpunkt Erwachsenen-
bildung und Doktorin* der Philosophie. Ihre Promotion hat sie bei Prof. Richard Münchmeier
und Prof. Manfred Kappeler 
an der Freien Universität Berlin zur Entstehungsgeschichte feministischer Mädchenarbeit geschrieben.